Ultra-red
Was ist der Klang des guten Lebens ?
Eine Klang-Erforschung
Setting: Tische und Stühle sind im Jugendzentrum »Echo« positioniert. Anfangs sind diese so arrangiert, dass alle Teilnehmer*innen zusammen um einen großen Block von Tischen oder alternativ in einem Kreis ohne Tische sitzen. Filzstifte und Papier liegen auf den Tischen. Der Raum ist außerdem mit einer Lautsprecheranlage oder einem anderen Audio-Wiedergabe-System ausgestattet. Flipchart-Papier steht für Notizen zur Verfügung. Im Raum ist es ruhig, bis auf Geräusche von draußen, die in den Raum eindringen.
Beginn
Einleitung: Die Moderator*innen begrüßen alle, stellen sich vor und bitten jede*n Teilnehmer*in, sich kurz vorzustellen. Sobald dies erledigt ist, fragen die Moderator*innen die Teilnehmer*innen, wie die gemeinsame Zeit innerhalb der Zeitvorgaben am besten organisiert werden kann.
Ultra-red möchte betonen, dass es keine Erwartungen gibt, dass etwas, das man normalerweise unter einer »Präsentation« versteht, als Resultat unserer gemeinsamen Zeit produziert wird. In diesen Workshops geht es viel eher um die Erfahrung, sich in einen kollektiven Prozess des Hörens und des Dialogs zu begeben. Jedoch könnten wir es in Betracht ziehen, etwas unserer gemeinsamen Arbeit zu veröffentlichen, deshalb werden wir uns im Laufe des Tages Zeit nehmen um zu diskutieren, wie wir auf diese Möglichkeit reagieren könnten, oder ob diese Arbeit im Raum bleiben soll, den wir für uns erschaffen haben.
Außerdem möchte sich Ultra-red in einen Prozess begeben, der Fragen rund um unsere eigene Praxis und jene Arbeitsmuster aufwirft, von denen wir glauben, sie profitieren von einer kritischen Auseinandersetzung. Wir möchten die Erkundung des Prozesses in dieser Woche herunterbrechen und einen schrittweisen, behutsameren Ansatz wählen, sodass wir die Art und Weise in den Vordergrund rücken, wie ein Hör-Prozess und ein historischer/politischer/sozialer Kontext sich gegenseitig beeinflussen können und möglicherweise neue Bedingungen für kollektive Nachforschungen schaffen.
Wie hören wir? Und wonach hören wir?
Ultra-red hält eine Einleitung , wie wir an das Hören herangehen und über einige Theorien, die wir in Jahren der Recherche-Arbeit entwickelt haben. Eine Klang-Investigation entsteht aus sozialen/politischen Bedürfnissen/Begierde/Fragestellungen, die aus den Gemeinsamkeiten und Widersprüchen von Anstrengungen hervorgehen und nicht daraus, ein Kunstwerk, eine Dokumentation, eine Tonaufnahme etc. zu produzieren. Es sind die Erfordernisse der Anstrengungen, welche die Verwendbarkeit, das Timing und den Kontext eines Hörprozesses diktieren.
Frage: Was ist der Klang des guten Lebens?
Wenn wir Politik sagen, dann sprechen wir sowohl von Mikro- als auch Makro-Begriffen. Manche Teilnehmer*innen haben vielleicht gut entwickelte oder fundierte politische/ideologische Analysen bzw. ein Verständnis einer Situation. Indem wir uns selbst dazu anhalten, uns Vertrautem durch eine Frage zu nähern, die wir zuerst formulieren müssen, fordern wir bereits, dass wir innehalten und Dinge, die wir fast aus einem Reflex heraus tun, kritisch neu denken. Ein Prozess des Erkundens beginnt mit einer Frage. Indem wir eine Frage stellen, verpflichten wir uns nicht, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Außerdem gibt es keine »richtige« oder »falsche« Antwort auf diese Frage.
Zusammenarbeiten? Die Teilnehmer*innen bilden Gruppen zu ungefähr 5 Personen. Wir möchten nicht vorschreiben, wie dies geschehen soll. Manchmal ist es hilfreich für Personen, die üblicherweise im täglichen Leben zusammenarbeiten, mit anderen Personen eine Gruppe zu bilden, sodass eine mögliche »Echokammer« der Bequemlichkeit des Bekannten vermieden werden kann. Allerdings, wenn es den Wusch nach einer kritischen Analyse von langjährigen Kollaborationen sowie den Konditionen und Politiken, die das unterstützen, gibt, ist es manchmal für Kolleg*innen oder Verbündete nützlich oder vielleicht dringender, zusammen zu bleiben, um Anlass für Spannungen und Widersprüchen zu finden.
Wie lautet deine Frage? Nimm dir Zeit um darüber nachzudenken, welche Frage du mitbringen möchtest, um diese Workshop-Einheit zu beginnen. Es ist hilfreich, wenn deine Frage etwas behandelt, das man vor Ort hinterfragen kann, etwas Greifbares, oder umgekehrt, das Fehlen von etwas, das du in einer Reihe von Tätigkeiten oder Räumen in dieser Nachbarschaft verorten kannst. Schreibe deine Frage auf das vorhandene Papier.
Teile deine Fragen mit. Jede*r Teilnehmer*in teilt seine/ihre Frage mit der gesamten Gruppe. Erkennt jemand an diesem Punkt bereits Resonanzen, Spannungen oder Widersprüche, die eine kollektive oder kollaborative Herangehensweise für die Untersuchung einer bestimmten Frage nahelegen? Können manche Fragen verbunden werden?
Die Fragen werden in die Runde zurückgespielt und es bilden sich Gruppen um die Fragen.
Hören. Wohin könnten wir gehen, um uns die Klänge eines Ortes oder eines Moments anzuhören, die von den Fragen angesprochen werden? Die Moderator*innen laden die Teilnehmer*innen ein, Investigations-Gruppen um eine ausgewählte Frage zu formulieren, mit der Absicht, zusammen einen Sound Walk durchzuführen. Jede*r Teilnehmer*in kann sich seinen/ihren eigenen individuellen Ort zum Hören aussuchen. Wir bitten die Teilnehmer*innen nicht zu viel über ihre Beweggründe für die Wahl eines Ortes zu verraten. Jede Gruppe erstellt eine Route für ihren Sound Walk und besucht jeden der festgelegten Orte.
Die Gruppen brechen zu Fuß auf, ausgestattet mit einem Tonaufnahmegerät. An jedem festgelegten Ort der Route macht die Person, die den Ort ausgewählt hat, eine Tonaufnahme von einer Minute. Der Beginn jeder dieser Aufnahmen wird mit dem Namen des Ortes, dem Namen der Person, die den Ort gewählt hat und dem Datum und der Uhrzeit markiert, indem diese Angaben am Anfang der Aufnahme in das Aufnahmegerät gesprochen werden. Alle Teilnehmer*innen sind während des Akts des Zuhörens still. Wir empfehlen, dass während der Dauer des gesamten Walks kollektive Stille herrscht.
Was habt ihr gehört? Bei der Rückkehr fragen die Moderator*innen »Was habt ihr gehört?« Die Teilnehmer*innen geben Antwort auf diese Frage und respektieren, dass wir nicht alle dasselbe gehört haben. Diese Antworten werden wortwörtlich von den Moderator*innen auf Papier festgehalten, um sie später während des Befragungs-Prozesses zu verwenden.
Wie war es für euch, gemeinsam zu hören? Die Moderator*innen bitten alle Teilnehmer*innen, von ihren Eindrücken vom Hör-Spaziergang und dem Akt des Hörens im Kontext einer Recherche zu berichten. Wie war es für euch, in Stille durch eure Nachbarschaften zu gehen? War es schwierig? Peinlich? Hat es etwas an eurer Beziehung zu dieser Gegend geändert? Inwiefern war es anders im Vergleich zu sonst, wo wir uns weniger auf das Hören konzentrieren und mehr auf das Sehen? Sind euch Unterschiede aufgefallen, wie die Personen in eurer Gruppe etwas gehört haben oder das Gehörte verstanden haben? Welche Wörter sind euch besonders aufgefallen? Können wir Wiederholungen oder das Entstehen einer gemeinsamen Sprache feststellen? Vielleicht Motive? Könnten wir diese Wörter in Listen zusammenführen?
Ende
Ultra-red in Zusammenarbeit mit Daniela Brasil, Camera Austria und Natur.Werk.Stadt.
Ein Projekt im Rahmen von »Die Stadt & Das gute Leben«, Graz Kulturjahr 2020.
www.diestadtunddasguteleben.at / info@diestadtunddasguteleben.at / www.kulturjahr2020.at
Gegründet 1994 von AIDS-Aktivisten gehören Ultra-red heute Künstler*innen, Forscher*innen und Aktivist*innen verschiedener sozialer Bewegungen an, die sich den Fragen und Kämpfen um Migration, Anti-Rassismus, partizipativer Nachbarschaftsentwicklung und den Politiken von HIV/AIDS widmen. Als Kollektiv hat die Gruppe Radiobeiträge, Performances, Installationen, Texte und Aktionen im öffentlichen Raum realisiert.